Tag 18
Liebes Tagebuch,
ich bin zwar noch in Polen, aber ich schlafe heute mitten im Wald direkt an der Grenze zu Russland und Litauen. Ich hab sogar schon von beiden Ländern eine SMS bekommen.
Die Strecke heute war schön und abwechslungsreich. Ich habe einige Störche gesehen, habe eine schöne Imkerei entdeckt und bin auch heute wieder alle Arten von Weg gefahren. Von super asphaltiertem Radweg, über Schotter bis hin zu Wegen, die ich aufgrund von 1m hohen Gewächsen kaum als solche erkannt hätte.
Ich bin etwas von der ursprünglich geplanten Route abgewichen, weil mir ein entgegenkommender Radfahrer, der sich in der Gegend scheinbar gut auskennt, eine andere Route empfohlen hat. Er sprach von einer tollen Botanik und die Wege seien auch super. Also gut, dachte ich mir. Auf der Karte sah es an sich auch super aus, denn die neue Route sollte mitten durch eine große Seenlandschaft führen, anstatt nur daran vorbei. Da nehme ich sogar 9 km Umweg in Kauf.
Aber genau an der Stelle, an der ich meine ursprünglich geplante Route verlasse, fahre ich von einem 1A Fernradweg runter, rauf auf eine Kopfsteinpflaster-Piste, die nach ein paar Kilometern in den oben beschriebenen nicht mehr erkennbaren Waldweg übergeht. Zu diesem Zeitpunkt bereue ich das Vertrauen in diesen Fremden. Aber als ich dann die Stelle erreiche, an der links und rechts vom Weg nur noch Seen zu sehen sind, denke ich weder daran, dass ich eine längere Strecke fahren musste, noch, dass der andere Weg von der Beschaffenheit vielleicht viel besser gewesen wäre. Ich genieße diesen Ort und springe direkt für eine Abkühlung ins Wasser, hole mir am örtlichen Kiosk ein alkoholfreies Radler und mache eine ausgiebige Pause.
Nach 2 Stunden ging es dann weiter und nach weiteren 50 km mache ich erneut eine Pause und koche mir einen deftigen Eintopf mit Linsen. Da es schon ca 19 Uhr ist, gebe ich Gas mit allem und brauche insgesamt nur genau eine Stunde für Ankommen, auspacken, Feuer machen, Gemüse schnippeln, kochen, essen, abspülen, einpacken.
Anschließend fuhr ich weitere 20 km bis es dunkel wurde, was hier zur Zeit bereits um 20:45 passiert. Ich befinde mich derzeit am östlichen Rand meiner gewohnten Zeitzone und morgen werde ich mit dem Fahrrad in eine andere Zeitzone fahren. Und dann wird es wieder erst gegen 21:40 dunkel. Irgendwie verrückt, aber Zeit ist ja sowieso nur eine Illusion.
Bei den Fotos ist unter anderem ein Schrein, in dem Fall ein Baumstamm, dem ein Dach aufgesetzt und eine Maria rein gestellt wurde. Es gibt in ganz Polen eigentlich in jeder Ortschaft einen Schrein, die meisten sind aber simple eingezäunte, am Kreuz hängende, sterbende Jesen (offizieller Plural von Jesus), mit Blumen und Kerzen drum herum. Manche geben sich mehr und andere weniger Mühe, um sich einen Platz zu schaffen, an dem sie ihrem Gott näher kommen können, aber mir persönlich gefiel dieser Baumstamm bisher am besten.
Details zur heutigen Tour:
https://www.komoot.de/tour/t228483744