Tag 10
Am See aufzuwachen ist immer was Schönes. Ich genieße nochmal die Stille und fange dann an, mein Zeug zu packen. Als ich das leere Zelt anpacke und es durch leichtes Schütteln von restlichen Regentropfen befreien möchte, bricht eine Verbindung des Gestänges. Bei den Heringen ist eine Hülse aus Alu dabei, die zumindest übergangsweise helfen kann.
Ich rolle dann gegen halb 9 vom Platz, während die Leute vor ihren Caravans grade ihr Frühstück richten. Es fühlt sich gut an, wieder weiterziehen.
Die Strecke habe ich mir nicht so genau angeschaut, ich weiß nur, dass es lange an der Grenze zu Polen entlang geht und das einzige Ziel des Tages ist, nach Polen reinzufahren. Das Wetter ist gut und die Strecke flach.
Dass es aber so gut läuft, dass ich gegen 12 Uhr schon über 50 km geschafft habe, lässt mich noch optimistischer in die Pedale treten. Ich komme mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 21 km/h gegen 14 Uhr nach 85 km in der Grenzstadt Guben an, wo ich in einem Supermarkt einkaufen gehe und anschließend auf der polnischen Seite der Stadt meine erste richtige Pause mache.
Während ich dann in einem schön hergerichteten Park auf einer Bank meine Brotzeit genieße, verdunkelt sich der Himmel nach und nach von mehreren Seiten gleichzeitig. Nach anfänglicher Skepsis fange ich dann an, meine Sachen wieder einzupacken und als der Wind rauer wird und die Tropfen anfangen, auf mich nieder zu regnen, fahre ich zu einer runden Rast-Hütte, in der sich bereits eine Gruppe Radfahrer in Sicherheit gebracht hat. Sie kommen aus Leipzig, sind gekleidet wie Punks und fahren an die Ostsee. Während wir uns also ganz nett unterhalten, geht das Unwetter plötzlich richtig los.
Es hagelt 5 Minuten und anschließend regnet es weitere 15. Die Punks beschließen, weiterzufahren, und ich esse noch zu ende, während ein älterer Ortsansässiger, der grade seine Runde zum Pfandflaschen sammeln gedreht hat, versucht, sich mit mir auf polnisch zu unterhalten. Nach ein paar Minuten packe ich meinen Kram, verabschiede mich und setze mich wieder auf meinen Drahtesel.
Meine Strecke verläuft jetzt genau auf der Linie, auf der vorher das Unwetter getobt hat. Überall, wo ich vorbei komme, ist der Boden komplett durchnässt und wirklich überall lauern plötzlich unmengen an Stechmücken. Es fühlt sich an wie eine Plage. Ich stehe keine 5 Sekunden, schon werde ich von mindestens 10 dieser kleinen aggressiven Biester gestochen. Das hat sich im restlichen Verlauf des Tages auch nicht geändert, obwohl ich noch weitere 55 km gefahren bin. Während ich das hier schreibe, genieße ich den Schutz meines Innenzeltes. Aber sobald ich raus gehe, um zu pinkeln, werde ich sofort belagert und gestochen.
Ich hoffe, dass diese Plage mit dem Wetter und dem Klima zu tun hat, und dass morgen alle Stechmücken weitergezogen sind.
Die Straßen und Feldwege, über die ich bisher in Polen so geschickt wurde, waren mal besser und mal schlechter. Aber meistens leider eher schlechter. Ein Highlight war eine Fähre zur Überquerung eines Flusses. Mitten auf dem Land hört da einfach die Straße auf und ein einsamer Steuermann wartet darauf, dass mal ein Auto oder Fahrrad kommt und rüber will. Man hat sich also für das Provisorium entschieden, statt eine Brücke zu bauen. Irgendwie sympathisch.
Ich konnte den anfänglichen Rekord von 21 km/h im Durchschnitt leider nicht halten, sondern landete nach heutigen 140 km Strecke bei einem Durchschnitt von 19,6 km/h. Trotzdem noch mein persönlicher Rekord bisher 🙂
Die Menschen in Polen sind freundlich und hilfsbereit. Ich fühle mich trotz Stechmücken und schlechter Wege soweit ganz wohl hier.
Hier wie immer alle Details zur heutigen Strecke: